Raritätendrama in drei Akten

Prolog:
Eines Abends im Januar war sie auf einmal offen. Eine Flasche, wie sie hierzulande so gut wie nicht zu erwerben ist, so rar und exklusiv, dass sie wohl den meisten Weinfreunden kaum bekannt sein dürfte. Nebenbei bemerkt, nicht gerade ein Schnäppchen. Ein Chardonnay mit 18 Monaten Reife in frz. Barriques, der Auszeichnung von 20/20 WeinWisser-Punkten und bestenfalls in der Schweiz ein Begriff:

  • Castello Luigi, Bianco del Ticino, Besazio 2007

Doch zunächst: Holz, Vanille, Holz und nichts, was neben dieser geballten Massivität bestehen könnte. Keine Chance auf  spannende Aromen und Genuss. Voluptas interruptus: Korken drauf, mitgenommen, ab in den Kühlschrank und warten.

I.  Akt
neue Szene, neue Chance
Glück gehabt: am nächsten Tag zeigt dieser Chardonnay aus dem Tessin, was er wirklich kann. Man merkt, dass er noch am Anfang einer großen Entwicklung steht – er hat ordentlich Biss und starke Röstaromen. Und er ist lang anhaltend, sehr lange sogar. Daneben offenbart er zahlreiche Aromen: Eiskonfekt, Haselnuss, weiße Schokolade, Doldenblütler, viel Würze. An Geschmeidigkeit im Abgang wird er bestimmt noch zulegen. 94+

II. Akt
Niemand bleibt gern allein. Warum zu einer Rarität nicht eine andere gesellen? Gesagt, getan:

  • Battenfeld Spanier, Riesling CO 2007

Der Wein, dessen Vorgänger aus dem Jahrgang 2006 zur Hochzeit von Carolin Gillot und Hans Oliver Spanier kreiert wurde, ist gerade ganz stark. Ganz trocken ist der Ökowein nicht, extrem mineralisch, sehr dicht, würzig, cremig, mit feiner Honignote, dabei schlank am Gaumen, mit viel Druck, Mandel, Grapefruit, Eleganz und wunderbar lang anhaltend. Sensationelle 95-96 Punkte. Vorläufiger Höhepunkt.

III. Akt
Was stellt man so einem Wein zur Seite, wenn Entdeckerdrang und Durst gerade so schön angefacht wurden? Im trockenen Bereich ist da nicht mehr so viel möglich auf diesem Planeten, deshalb greift als nächstes ein Süßwein ins Geschehen ein.

  • Keller, Dalsheimer Hubacker Riesling Auslese *** 1999

Wunderbares Trinkalter für einen ganz starken Auftritt. Tief bernsteinfarben, unglaubliches Extrakt, Botrytis, Thymian, Tannenhonig, Karamell, Nadelwald, Apfelstrudel, animierende Rassigkeit, minutenlanger Nachhall. Kurzum: Wenn man wüsste, wie Perfektion tatsächlich aussähe, wäre sie von hier aus nicht mehr weit entfernt und schon ganz gut zu erkennen. 98 Punkte, wie sie so schnell gewiss nicht wiederkommen.

Epilog:
Kein Wein, ein würdiges Nachspiel allemal und in seiner Klasse ebenfalls weit oben:

  • Salwey, Sauerkirschwasser

Kann mit seinen 45% jeden außergewöhnlichen Theaterabend zu einem nachhaltig harmonischen Ende führen. Der Vorhang fällt, auch ohne Punkte.

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