Entdecker willkommen – brasilianischer Wein unterwegs zu internationaler Anerkennung

vale dos vinhedosVon tropischem Regenwald keine Spur. Die Blätter der Reben haben sich braun verfärbt, Rebzeilen ziehen sich sanft die Hänge hinunter und bewaldete und bewirtschaftete Hügel erinnern an deutsche Mittelgebirge. Im Vale dos Vinhedos, der Weinstraße des brasilianischen Weintals im Südosten des Landes, denkt man nicht nur der Landschaft wegen eher an Europa. Hier – ca. zwei Autostunden nordwestlich der Millionenstadt Porto Alegre – werden Weine erzeugt, die oftmals europäischer wirken als viele andere bei uns bekannte südamerikanische Weine. Viele sind schlank und sortentypisch. Dass sie dabei auch oft säurebetont sind, liegt an einer meist frühen Lese, die der Fäulnis durch das feuchte Klima vorbeugen soll. Die Spitze schafft es allerdings, der Elite europäischer Weine recht nahe zu kommen.

Das Weingut Casa Valduga in Bento Gonçalves gehört mit insgesamt gut 150 Hektar zu den ganz großen Weinerzeugern Brasiliens.casa Valduga Anwesen Das zeigt sich auch schon am riesigen Anwesen, das eine Reihe von Ferienhäusern für die zahlreichen Touristen aus São Paulo und Rio de Janeiro beherbergt.

Das italienische Weinerbe

Im 19. Jahrhundert von italienischen Einwanderern gegründet, besitzt das Weingut eine italienische Weintradition wie sie in dieser Gegend so häufig anzutreffen ist. Kein Wunder, dass es hier auch eine italienische Rebsorte gibt, die in der alten Welt allerdings nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt: die rote Ancelotta-Traube, die sonst vor allem in der Emilia-Romagna und der Lombardei kultiviert und häufig genug lediglich als Farbverstärker verwendet wird. Casa Valduga dagegen hat dieser Sorte beim 2005er Identidade Single Vineyard mit einer Mengenbeschränkung auf 3000 Flaschen zu einer hervorragenden Qualität verholfen. Bei mittlerem Körper erstreckt sich da ein großes Aromenspektrum von Minze über Sauerkirsche bis zu Karamell und dezenten Ledernoten. Hier, wie bei den meisten anderen Weingütern, dominieren die französischen Rebsorten: Cabernet Sauvignon, Merlot, casa Valduga GebaeudeCabernet Franc und Chardonnay. Ebenfalls sehr gut gelungen ist ein Gewürztraminer mit einer erstaunlich eleganten Fruchtigkeit, dessen Bukett die typischen Rosentöne und Honignoten offenbart ohne aufdringlich zu wirken. Mindestens so überraschend aber ein Portwein, der sich bescheiden nur Tinto Liqeur Wine nennen darf und die Klasse eines großen Tawny Ports besitzt.

 Das Hauptaugenmerk des Hauses liegt jedoch auf dem Sekt. Als eine der größten Sektkellereien Lateinamerikas exportiert Casa Valduga immer mehr Flaschen nach Europa. Sind schon die Basissekte überzeugend, trifft das in besonderer Weise für die höheren Qualitäten zu. Der Gran Reserva Natura 2002, der weniger von der Hefe als von einer eleganten Frucht dominiert ist, muss sich vor den großen Champagnern keineswegs verstecken.

Mit  High-Tech nach Europa

So industriell die Weinbereitung bei Casa Valduga schon aufgrund der schieren Größe der Kellereigebäude erscheint, so selbstverständlich wird hier modern und präzise nach europäischem Vorbild gearbeitet. Bei Temperaturüberwachung, malolaktischer Gärung und Reifung in Barrique-Fässern war das Weingut Vorreiter in Brasilien. Der Schritt auf den deutschen Markt erscheint so letztlich nur konsequent. 2005 waren die Weine das erste Mal auf der ProWein vertreten, zusammen mitWeingut Salton einem anderen Groß-Weingut: Salton, das nur wenige Kilometer entfernt liegt.

Mit 25 Millionen Flaschen Weinproduktion im Jahr, die von 550 Weinbauern der Umgebung stammen, gilt die Vinicola Salton als größter weinerzeugender Betrieb Brasiliens. Viel Geld wurde auch hier in moderne Kellertechnik investiert. Maischegärung mit Maischestandzeiten von vier bis 15 Tagen bei den Rotweinen (Cabernet Sauvignon, Merlot, Malbec, Carmenère, Cabernet Franc, Tannat und Teroldego) und qualitativ verschiedene Produktlinien zeigen die Salton kellerstark differenzierte Arbeitsweise des Hauses. Erstaunlich sind vor allem zwei Weißweine. Der Riesling Classic bezieht seinen Charme aus einer kernigen Säure mit Noten von grünen Äpfeln und Zitrusfrüchten und der teilweise in neuen amerikanischen Barriques gelagerte Chardonnay Volpi besticht durch gute Länge und feine Holznoten. Dabei wirkt er elegant und keineswegs fett oder plump.

Klasse statt Masse aus den Hochlagen

Eine echte Entdeckung ist Vinhos Marson in Cotipora, nördlich des Hauptortes Bento Gonçalves. Der kleine Betrieb, in dem gerne noch italienisch gesprochen wird, bietet einen grandiosen Ausblick über das spektakuläre,marson mediterran anmutende Berg- und Hügelland. Trotz der zahlreichen Preise, die das Weingut auf Wettbewerben immer wieder erzielt, sind seine Weine in Europa völlig unbekannt.

Das Flaggschiff ist der Cabernet Sauvignon Gran Reserva. Der 2002er überzeugt durch Dichte und Länge mit einer Vielzahl von Aromen: Schokolade, Dörrfrüchte, Pflaume, Karamell und Lakritz. Der 2004 ist noch einen Tick reichhaltiger und gehört sicherlich zu den absoluten Top-Weinen des Landes. In dieser Liga spielt auch der Marson Espumante Brut, ein Sekt aus Chardonnay und Pinot Noir.

Ein anderer Winzer mit überschaubarer Betriebsgröße – 15 Hektar – und ähnlich freundlichem Empfang ist Clóvis Roberto Boscato. Sein modernes Gut, das er vor 25 Jahren mit seinem Bruder zusammen gründete, liegt ca. 70 km im Norden von Bento Gonçalves. Die Weinberge reichen hier sogar bis auf 850 Meter Meereshöhe.

Perfektion und Internationalität

Genaue Temperatur- und Luftfeuchtigkeitskontrolle in den einzelnen Barrique- und Flaschenlagern und computergesteuerte Tröpfchenbewässerung in den Weinbergen zeigen, dass hier nichts dem Zufall überlassen wird. Auch der modernste Degustationsraum außerhalb Europas beeindruckt. Ausgerüstet mit einer extra Luftschleuse für optimale Degustationsbedingungen wird er immer wieder von internationalen Sommeliers genutzt. Schließlich ist der Chef, der sichtlich stolz ist durch seinen Betrieb zu führen, selbst Mitglied internationaler Weinjuries. So faszinierend ein Rundgang durch Keller und Haus auch ist, die Weine bilden eindeutig die nationale Speerspitze Brasiliens und sind dabei erstaunlich günstig geblieben.

Der Chardonnay zeigt mit Karamell- und Sahnenoten sowie feinen vegetabilen Aromen ein überzeugendes Gleichgewicht. Der sortentypische Merlot hat Anklänge an Kakao und wirkt auch in seiner Jugend schon harmonisch. So wie auch der Cabernet Sauvignon Reserve, dem eine ganz dezente Animalik gut steht, die neben denBoscato Probenraum Schoko-, Kaffee- und Kirscharomen keinesfalls dominiert. Die Steigerung ist der Gran Reserva, dessen intensivere Gerbstoffe zu noch mehr Struktur und Tiefe verhelfen und das bei lediglich 12% Alkohol. Sicherlich das Aushängeschild des Weingutes, dessen Ruhm trotz geringer Auflage von 2000 Flaschen im Jahrgang 2002 bereits im Ausland angekommen ist. Das beweist jedenfalls die Gold-Medaille beim Concours Mondial de Bruxelles 2007.

Bis die Weine aus dem Vale dos Vinhedos auch auf breiterer Linie international einen Namen bekommen, scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Bis dahin aber warten hier, weit entfernt vom tropischen Regenwald, noch viele Weinerzeuger darauf, entdeckt zu werden.

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