Viel mehr als Riesling – Annäherungen an die nördliche Nahe

Etwa in Höhe der Salinen, südlich von Bad Kreuznach, ändert sich der Landschaftscharakter plötzlich komplett. Auf dem Weg nach Norden weichen die steil abfallenden Felskanten, die eben noch das Bild des mittleren Nahetals dominierten, einer weit geöffneten Ebene. Im Hintergrund sind allmählich wieder ausgedehnte Weinhänge zu sehen.

Die nördliche Nahe und die Orte Bretzenheim und Langenlonsheim wirken jetzt nach der Weinlese recht verschlafen, laden aber bei der großen Winzerdichte natürlich trotzdem zu interessanten Weinerkundungen ein. Die erste Entdeckung ist dabei ziemlich unverhofft und umso erfreulicher. plettenberg-grauburgunder.jpgDas gewaltige Gutshaus der Familie von Plettenberg bietet nicht nur für die Übernachtung ein besonderes Ambiente voll zauberhaften, morbiden Charmes, sondern auch eine Grauburgunder Spätlese aus eigenem Weinberg. Gäste des Hauses finden diesen sortentypischen, cremigen und äußerst eleganten Wein immer gut gekühlt im Kühlschrank der Besucherküche vor (Reichsgraf von Plettenberg, Grauburgunder Spätlese trocken 2008, 87+ Punkte).

Nur wenige Gehminuten entfernt ist die Straußwirtschaft des Weinguts Meurer. Zu unschlagbar günstigen Preisen kann man dort nicht nur sehr gut und rustikal essen, sondern auch eine Vielzahl von ordentlich gemachten Weinen probieren. Auf der Preisliste finden sich leider ziemlich viele liebliche Weine, aber zumindest die trockenen 2008er Spätlesen von Riesling und Chardonnay können mit viel Trinkfreude wirklich überzeugen.

Der nördlich gelegene Nachbarort Langenlonsheim beheimatet allerdings die namhafteren Winzerbetriebe. In diesem langgezogenen Weindorf findet man zwar so gut wie keine Möglichkeit, sich für anstehende Weinproben eine Essensgrundlage zu schaffen, dafür aber um so bekanntere Weinerzeuger wie Tesch, Bürgermeister Willi Schweinhardt und den Demeterbetrieb Zwölberich. schweinhardt.jpgMit 33 Hektar ist das mitten im Ort gelegene Gut Schweinhart zweifellos eines der großen. Die unterschiedlichen Böden bringen dabei ganz unterschiedliche Weincharaktere hervor. Schön zu „erschmecken“ ist das bei den Rieslingen, von denen vor allem die preisgekrönte Riesling Terrasse vom Langenlonsheimer Rothenberg 2008 (88+ Punkte) aus dem Rotschieferboden zu nennen ist. Für unter 10 € ist besonders der Weiße Burgunder vom Löhrer Berg (87 Punkte) erwähnenswert, der dem Grauburgunder um mehr als eine Nasenlänge voraus ist. Auch auf den Spätburgunder versteht man sich hier – bei sehr zurückhaltenden Preisen. Schon der einfache 2007er überzeugt mit feiner Frucht (86 Punkte) und der Barrique-Spätburgunder 2007 fasziniert mit ausgeprägter Nase und schöner Aromenfülle (88 Punkte). Und das nicht mal für 10 Euro! Vieles gäbe es hier noch zu entdecken (Cabernet, Merlot, Frühburgunder, außerdem verschiedene edelsüße Weine und Brände…).

ueber-langenlonsheim.jpgNur wenige hundert Meter entfernt, am Rande der Weinberge, findet sich das Demeter-Weingut Zwölberich – benannt nach dem Gebiet, das sich hinter dem Haus erstreckt. Von der Probierstube, wo man sich viel Zeit nimmt, reicht der Blick weit ins benachbarte Rheingau hinüber. Auch hier wird ein breites Sortiment an Rebsorten auf immerhin 20 Hektar angebaut. Doch nicht der Riesling erscheint mir bei der gereichten Auswahl am interessantesten, sondern die Spezialitäten. Neben einem gut gemachten Auxerrois (QbA 2007, 86 Punkte), der bis in Auslesequalität auf der Lage Guldentaler Rosenteich produziert wird, gehört dazu eine barriquegereifte Frühburgunder Auslese mit rauchigen Noten und Länge (Langenlonsheimer Steinchen 2007, 89 Punkte). Dem beinahe überreif wirkenden Spätburgunder aus dem Barrique ist er weit überlegen. Der Grauburgunder Alte Reben 2008 (89 Punkte) mit Kraft und Cremigkeit ist ebenso gelungen wie die weiße Cuvee Z aus Riesling, Grauburgunder und Auxerrois (2008, 88 Punkte), die im Barrique gereift ist. Der krönende Abschluss vor einer ausführlichen Kellerbegehung: eine Riesling Beerenauslese aus 2005 (93 Punkte) mit reifem Blütenhonignoten und seidiger Eleganz.

Was kann  danach noch kommen? Am nächsten Tag bei der Rückreise im Zug nur etwas ganz anderes – die sogenannte Herrenhandtasche. Hauptbestandteil: Flensburger Pilsener, herbwürzig und frisch, mindestens 90 Punkte und auch aus der Flasche hervorragend.

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